Radolin




Der Grundherr Andreas Radolinski glaubte, daß Städte ihren Gründer reich machen könnten, daher erbat er vom polnischen König die Genehmigung zur Gründung der Stadt Radolin, die ihm 1759 gewährt wurde. Aber das Unternehmen war eine Fehlgründung, denn von einem Tuchmacherort zu erwarten, daß er sich neben der nur 7 km entfernten aufblühenden Stadt Schönlanke auf die Dauer behaupten könnte, war ein Irrtum.

Zwar fanden sich Siedler in großer Zahl ein, und sie waren klug genug, ihre Existenz durch Zukauf von noch urbar zu machenden Wiesen zu sichern. Aber die Bedingungen des Grundherrn, ausgedrückt im Privileg von 1764 waren viel zu hart.

Jeder Hausbesitzer sollte 6 Gulden Kopfsteuer entrichten, für Haus und Garten jährlich 20 Gulden bezahlen und auch der Grundzins für die Ländereien war nicht vergessen. Ferner waren die Abgaben für die in der Walkmühle behandelten Tuche und für die Benutzung der Wollenwaage recht erheblich. Auch gab es eine Malz- und Branntweinsteuer.



Gesamtansicht im Jahr 1939


Dagegen waren die Rechte der Stadt nur unbedeutend. Die Selbstverwaltung durch einen gewählten Bürgermeister und einen Stadtvogt wurden zugestanden. Als Besoldung erhielten die beiden Personen die Nutzung von 2 Morgen noch urbar zu machender Wiese. Neben dem vom König gebilligten Wochenmarkt am Sonnabend und Sonntag waren 7 Jahrmärkte erlaubt; aber nur die Einnahmen von zweien von ihnen flossen in die Stadtkasse und zwar zur Pflasterung des Marktplatzes. Das wenige Brückengeld konnte die Stadt auch nicht reicher machen.



Dorfstraße mit Kirche


Etwa 1771 traf die Stadt ein großes Unglück, als 27 Häuser, genau die Hälfte des Ortes, abbrannten. 1773 stellten die Klassifikationsbeamten fest, daß in den 27 stehen gebliebenen Häusern 54 Familien wohnten und das die Märkte nicht so recht besucht würden. Es wurden gezählt: 37 Tuchmacher, 7 Tagelöhner, 2 Schuster, je ein Schmied, Brauer, Zimmermann, Walker, Gastwirt und ein Landmann. Die Zahl der Einwohner betrug 317, die Anzahl der Hufen ist nicht angegeben.



Backsteinkirche in Radolin, erbaut 1892/93




Kirche in Radolin um 1980


Die Franzosenzeit von 1807 und 1812 durch die nie bezahlte Beschlagnahme von Tuch und die hohen russischen Zölle für Webwaren nach 1815 führten allmählich den Untergang der Tuchmacherei herbei. Es blieb den Bewohnern nur übrig, sich mehr als bisher auf die Landwirtschaft zu stützen. 1857 gab der Ort seine Stadtrechte auf und wurde Landgemeinde. Seine höchste Einwohnerzahl erreichte der Ort 1871 mit 773 Personen, bis 1930 erfolgte ein Rückgang auf 614 Bewohner.



Dorfstraße in Radolin


Die Dorffläche wird mit 554,3 ha angegeben, trotz dieser geringen Größe konnte der Ort gut bestehen, weil die vorzüglichen Wiesen eine gute wirtschaftliche Grundlage boten. 1939 gab es 10 Bauern mit 2 Pferden und 30 Landwirte mit nur einem Pferde. Der größte Hof verfügte über 22 ha. Über die erste Kirche des protestantischen Ortes ist nur bekannt, daß sie bei dem großen Schadenfeuer um 1771 abgebrannt sein soll. Das 1945 vorhandene Gotteshaus ist 1892/93 erbaut worden. Radolin gehörte zum Kirchspiel Behle.



Schule in Radolin


1945 gab es im Orte keine größeren Kampfhandlungen. Frauen und Kinder waren rechtzeitig mit der Bahn evakuiert worden, doch wurde der Transport in Küstrin vom Feinde aufgehalten, ausgeplündert und die Frauen belästigt. Auch ein Teil des Trecks fiel in Feindeshand, aber der Rest entkam bis Lübeck. Auf der Flucht gab es 6 Tote, in der Heimat außerdem 5.
Über Verschleppungen ist nichts bekannt.

 


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